Was ist ADS bzw. ADHS?

Einleitung

ADS steht für Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Kinder mit ADHS sind zusätzlich hyperaktiv. Im englischen Sprachraum wird dieses Phänomen ADD bzw. ADHD (Attention Deficit (Hyperactivity) Disorder) genannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt ADHS zu den „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“. Nach Überzeugung der meisten Wissenschaftler handelt es sich hierbei um eine Hirnstoffwechselstörung. Daneben gibt es Kinder, die aus anderen Gründen Hyperaktivität und andere typische ADS-Symptome zeigen. ADS ist keine neue Erscheinung: Bereits im 19. Jahrhundert ist das ADS-Syndrom, das früher noch nicht so hieß, von Wissenschaftlern beschrieben worden. Der „Zappelphilipp“ erinnert auch noch 150 Jahre nach dem Erscheinen des „Struwwelpeters“ manche Mutter und manchen Vater an das eigene Kind.

Ist ADS eine Krankheit?

Auf diese Frage kann es keine klare Antwort geben, da es sehr unterschiedliche Ausprägungen von ADS gibt: Manche Menschen sind leicht betroffen und kommen mit ihrer Veranlagung mehr oder weniger gut zurecht. Sie würden ADS sicherlich nicht als Krankheit bezeichnen, sondern vielmehr als eine andere Art, die Welt zu sehen und auf sie zu reagieren. Andere Menschen sind stark beeinträchtigt, leiden erheblich und benötigen Hilfen. In diesem Fall hat ADS Krankheitswert. ADS würde nicht krank machen, wenn die Gesellschaft diese Menschen so akzeptieren würde, wie sie sind und sich auf ihre Besonderheiten einstellen würde. Da dies nicht der Fall ist, liegt es an den ADS-Betroffenen selbst sowie an denen, die für Kinder mit ADS Sorge tragen, das Leben mit ADS so angenehm wie möglich zu gestalten.

Symptome

Meist tritt ADS in Verbindung mit Hyperaktivität auf. Diese Verhaltensweisen sind Anzeichen für Hyperaktivität und eine gesteigerte Impulsivität:

Das Kind

  • ist ständig in Bewegung und wirkt dabei „wie getrieben“
  • kann sich nur mit Mühe auf einem Stuhl halten, rutscht darauf herum oder fällt damit um
  • zappelt häufig mit Händen und Füßen
  • läuft und klettert in unpassenden Situationen herumkann sich selten ruhig mit einer Sache beschäftigen
  • redet häufig wie aufgezogen
  • unterbricht andere oft beim Sprechen und/oder stört auf andere Weise
  • ist auffallend ungeduldig
  • handelt häufig ohne nachzudenken

Kinder mit ADS sind auffallend unkonzentriert. Typische Verhaltensweisen für Unaufmerksamkeit sind:

Das Kind

  • achtet nicht auf Einzelheiten oder macht viele Flüchtigkeitsfehler
  • schafft es oft nicht, bei Aufgaben und Spielen bei der Sache zu bleiben
  • scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere mit ihm sprechen
  • hat Schwierigkeiten, Aufträge zu Ende zu bringen
  • hat Probleme beim Organisieren von Aufgaben
  • beschäftigt sich ungern mit Dingen, bei denen längere geistige Anstrengung erforderlich ist
  • verliert und vergisst oft Dinge
  • kann schlecht Ordnung halten
  • lässt sich leicht ablenken

Darüber hinaus müssen für die Diagnose „ADS mit oder ohne Hyperaktivität“ folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Das Verhalten tritt seit mindestens einem halben Jahr auf.
  • Das Kind zeigt/e die Symptome bereits vor dem Alter von sieben Jahren
  • Die Symptome treten in verschiedenen Lebensbereichen auf (Familie, Freizeit, Schule).
  • Das Kind hat Schwierigkeiten im sozialen und schulischen Bereich.
  • Die Symptome können nicht durch eine andere Störung bzw. Krankheit besser erklärt werden.

ADS ist nicht ADS

ADS tritt in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Das amerikanische diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen (DSM IV) beschreibt drei Untertypen der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung:

  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ;
  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, vorwiegend unaufmerksamer Typ;
  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, kombinierter Typ

Kinder, die vorwiegend unaufmerksam sind, zeigen für gewöhnlich nicht die für Hyperaktivität typische motorische Unruhe. ADS ohne Hyperaktivität („Hypoaktivität“, „Träumervariante“) wird meist erst in der Schule zum Problem, wenn betroffene Kinder durch zunehmende Konzentrationsprobleme auffallen. Sie scheinen sich nur schlecht etwas merken zu können, lesen, schreiben und rechnen langsam und wirken oft geistesabwesend.

Diagnose

Eine ADS-Diagnose ist immer eine Ausschlussdiagnose. Der Ausschluss anderer Ursachen sowie die Summe von vielen Einzelbeobachtungen über einen längeren Zeitraum erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ADS vorliegt. ADS lässt sich nicht durch eine Blutuntersuchung, ein EEG oder einen anderen medizinischen bzw. psychologischen Test nachweisen. Der Psychologe Holowenko (1999, 25) schreibt: „AD/HS ist eine medizinische Diagnose. Aber gegenwärtig ist es durch keinen medizinischen Test nachzuweisen.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ursache

Aus unbekannten Gründen soll es bei ADS zu einer mangelhaften Durchblutung in bestimmten Hirnarealen kommen. Das habe zur Folge, dass für die Reizübertragung zuständige Botenstoffe (Dopamin, Noradrenalin, Serotonin) in unzureichender Menge ausgeschüttet und/oder zu schnell abgebaut werden. Vor allem die Signalübertragung vom Frontalhirn zu tiefer liegenden Hirnstrukturen scheint gestört zu sein. Darüber hinaus wird vermutet, dass die motorische Unruhe hyperaktiver Kinder ein Versuch ist, die Durchblutung anzuregen und den Botenstoffhaushalt ins Gleichgewicht zu bringen. Ungeklärt ist jedoch, was Ursache und was Wirkung ist: Möglicherweise sind die messbaren Vorgänge im Gehirn nicht Ursache, sondern Folge psychischer Prozesse.

Behandlung

Die besten Erfolge lassen sich durch eine Kombination verschiedener therapeutischer Maßnahmen erzielen. Je nach Alter des Kindes sowie Art und Ausprägung des ADS kommen u.a. in Frage:

  • Psychotherapie (Verhaltenstherapie, Familientherapie)
  • Elterntraining
  • Ergotherapie
  • Lerntherapie (bei LRS/Legasthenie oder Dyskalkulie)
  • Logopädie (bei sprachlichen Entwicklungsverzögerungen)
  • Medikation

Behandlung mit Stimulanzien

In Deutschland wurden Psychostimulanzien erstmals in den 70er Jahren zur Therapie des Hyperkinetischen Syndroms (HKS) eingesetzt. Seit einigen Jahren wird in den Medien viel über Ritalin und verwandte Medikamente (Medikinet, Equasym) berichtet, doch nicht alles ist wahr. Wahr ist:

  • Ritalin heilt ADS/ADHS nicht.
  • Ritalin ist kein Beruhigungsmittel.
  • Ritalin ist kein Medikament gegen schwieriges, zur Gewohnheit gewordenes Verhalten.
  • Ritalin kann einem Menschen nicht soziale Fähigkeiten oder den Umgang mit Gefühlen beibringen.
  • Ritalin ist kein Mittel für bessere Schulnoten, eine höhere Motivation, Begabung oder Intelligenz.
  • Ritalin macht bei oraler Einnahme in der üblichen Dosierung nicht körperlich abhängig.
  • Wenn Ritalin wirkt, beweist dies nicht, dass ADS/ADHS vorliegt.

Ritalin wirkt stimulierend. Der darin enthaltene Wirkstoff Methylphenidat regt die Durchblutung im Hirn an. Etwa 80 Prozent der mit Stimulanzien behandelten Kinder werden dadurch ruhiger und können sich besser konzentrieren. Die motorische Unruhe lässt nach, die Impulsivität verringert sich und die Konzentrationsspanne wird größer. In vielen Fällen verbessert sich die Feinmotorik, was zu einer besseren Handschrift führt. Diese Verhaltensänderungen sind jedoch nicht von Dauer: Sobald der Körper das Medikament abgebaut hat, ist das Kind genauso unkonzentriert und/oder unruhig wie zuvor. Eine medikamentöse Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms sollte daher immer von therapeutischen Angeboten begleitet sein.

Jedes Medikament, das wirkt, zeigt zusätzlich unerwünschte Wirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen von Stimulanzien sind Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit. Manche Eltern berichten, dass sich ihr Kind für nichts mehr zu interessieren scheint und dass Kreativität und Selbstbild leiden. Bei hohen Dosierungen kann es zu einer verstärkten Nervosität, einem stärkeren Herzschlag und Kopfschmerzen kommen. Schwere Schädigungen sind bislang nicht nachgewiesen worden. Studien über die langfristigen Wirkungen von Stimulanzien stehen allerdings noch aus.

Die Gabe von Stimulanzien bei Verhaltensauffälligkeiten wird immer wieder kontrovers diskutiert. In manchen Fällen scheint es angemessen, das Leben des Kindes und seines sozialen Umfelds durch eine Medikation zu erleichtern. Andererseits gibt es Fälle, in denen zu schnell und ohne zusätzliche Therapien verordnet wird. An erster Stelle sollte daher eine umfassende, auch psychosoziale Faktoren berücksichtigende Diagnostik stehen.

Was es noch sein kann

Die oben beschriebenen Symptome müssen nicht ADS-bedingt sein. Andere Ursachen können beispielsweise sein:

  • Das Verhalten ist altersgemäß.
  • Das Kind ist einfach nur lebhaft.
  • schulische Unterforderung/Hochbegabung
  • schulische Überforderung/Intelligenzmangel
  • geistige Behinderungen
  • Schlafmangel
  • Bewegungsmangel
  • Seh- und Hörstörungen
  • Wahrnehmungsstörungen
  • emotionale Belastungen (Depressionen, Ängste)
  • Vernachlässigung/Misshandlung
  • Medikamenten- oder Drogenmissbrauch
  • Mangelernährung
  • Wurmbefall
  • Neurodermitis
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Fetales Alkoholsyndrom (FAS)
  • Restless-Legs-Syndrom
  • Hirnschäden (Schädel-Hirn-Trauma, Enzephalitis)
  • Autismus
  • Epilepsie
  • Schizophrenie
  • Manie
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung
  • Posttraumatische Belastungsstörungen
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